16 - Die Wunde heilte in 7 Tagen ...

16-1

Der Beschluss  zur Unfruchtbarmachung der "erbkrankverdächtigen" Erna Kronshage in 2. Instanz (Erbgesundheitsobergericht Hamm):

16-2

Das Erbgesundheitsobergericht in Hamm als die 2. Instanz hat diese oben eingeblendete Formulierung im Beschluss getroffen, ohne die offensichtlichen exogenen (von außen kommenden) Faktoren zu berücksichtigen, die eine - wenn schon - vorübergehende psychische Verstimmung und damit eine eventuell ambulante Hilfsbedürftigkeiten hätten auslösen können:
  • 1. Die familiäre Situation: Erna als jüngstes Kind in einer 11-köpfigen Geschwisterreihe muss mit ansehen und erleben, wie aus einer Großfamilie durch Verheiratung und Familiengründung der älteren Geschwister - bzw. durch Kriegsverpflichtungen der Brüder als Soldaten sie als Haustochter allein mit ihren betagten kränklichen Eltern auf dem Hof den Unterhalt sichern muss ... - als 17 - 19jährige junge intelligente Frau ... - permanent körperlich überfordert - und intellektuell unterfordert ... 
  • 2. Der plötzliche traumatisch wirkende Bombenabwurf "aus (noch) heiterem Himmel" im Juni 1940, bei dem in ca. 50 - 80 Metern Entfernung der Gutshof des Nachbarn völlig zerstört wird - und eine junge nahe Bekannte der Familie den Tod fand ...
  • 3. Die Angst um ihre Brüder an der Ostfront - die ab Herbst 1942 allmählich von der russischen Gegenoffensive bei Stalingrad eingekesselt waren - (ging im übrigen zeitlich einher mit den Auffälligkeiten bei Erna ...) mit der abschließenden Niederlage in der Schlacht 1943 ...
  • 4. Das moralische Dilemma, in der sich die heranwachsende Erna befand: auf der einen Seite als Haustochter im Dienst der Eltern stehend - seit ihrer Schulentlassung überbehütet ohne "Urlaub" im täglichen Einerlei "gebunden" zu sein - ohne Kontakte zu gleichaltrigen Gruppen - auf der anderen Seite bildungs- und erlebnishungrig  - sich ablösen und die Welt kennenlernen wollen ...
Dagegen werden einseitig verblendet im nationalsozialistischen Eugenikwahn alle endogenen (von innen heraus aufkeimenden) "genetischen" also erbanlagebedingten Auslösemöglichkeiten einer SCHIZOPHRENIE passend gemacht und mühsam zurechtkonstruiert mittels jedem vorfindbaren Zipfelchen an noch so vager Interpretationsmöglichkeit - einzig im Sinne der gemäß dem NS-psychiatrischen Zeitgeist wegweisenden Rassen- und Schizophrenielehre ...

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16-3

  • Die mühsam zurechtkonstruierte erbliche Schizophrenie

Hier ist der dazu relevante Passus noch einmal gesondert aus dem 1. Beschluss des Ergesundheitsgerichtes Bielefeld ...



In der endgültigen Beschlussfassung der maßgeblichen Erbgerichts-Instanz zu Hamm heißt es lapidar:



Und das ist dann - in diesem Wortlaut - die Sprachverdrehung zu einer "Euthanasie"-Aufoktroyierung schlechthin:
Deshalb nochmal zur Klarstellung und zum "Mitschreiben" die belastenden Zitate aus den Beschlüssen der Erbgesundheitsgerichts-Instanzen 

"... ihre ältere Schwester war wegen psychopathischer Erregungszustände (Schizophrenie)[psychopatische Erregungszustände sind beileibe nicht mit 'Schizophrenie' gleichzusetzen!] in der Zeit vom ..." 

"... Im übrigen sind bei der älteren Schwester ausweislich des Krankenblattes der Provinzialheilanstalt in Gütersloh im 30. Lebensjahr vorübergehende [also nicht chronische - bleibende  oder dauerhafte] psychische Störungen aufgetreten,[also "Störungen" - keine dauerhafte Erkrankung], die als schizoider psychopathischer Erregungzustand gedeutet worden sind. ..."
["schizoid" bedeutet allenfalls ein dem Schizophrenie-Typus nur sehr oberflächlich ähnelnder Gemütszustand - und ist in erster Linie eine Persönlichkeits- bzw. Charakterstörung, die aber mit der Erkrankung "Schizophrenie" nicht etwa synonym gleichzusetzen ist ...] 
[- in der Begriffskombination mit "psychopathisch" wird ebenfalls eine irgendwie (hier wahrscheinlich kurzfristig) gestörte oder überschießende "Charaktereigenschaft" bzw. Gesamt-Persönlichkeit beschrieben  - z.B. bei Hysterie, Depression, Gefühlskälte aber auch bei unbotmäßig cholerisch re-agierenden Menschen - das war in der Eugenik-Psychiatrie der NS-Zeit sicherlich nicht anders als heute ...]  -  
["gedeutet worden sind" - also die man als Zustand von Erregungen, die da kommen und wieder gehen - erst einmal "gedeutet" hat - nicht etwa einwandfrei diagnostiziert!!!]  
"Aufgrund ... dieser Feststellungen ist auch nach der Ansicht des Senats die Diagnose Schizophrenie eindeutig  
gesichert." 
  • Wie man bei so viel unsicheren und äußerst vagen Formulierungen in beiden Beschlüssen auf eine so folgenreiche "Erberkrankung" der leiblichen Schwester schließen kann - ist schleierhaft - denn dieser Beschluss zur Zwangssterilisation wegen "Schizophrenie" ist alles andere als "gesichert" ...
Da wird eine Eindeutigkeitder Erbkrankheits-Diagnose 'Schizophrenie' für Erna Kronshage herbeigeschwurbelt mit allerlei abgeleiteten diagnostischen Argumentations-Purzelbäumen in Bezug auf diesen 4-wöchigen Kurzzeit-Aufenthalt von Ernas leiblicher Schwester Frieda in der Heilanstalt Gütersloh in 1939 ...:

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16-4
Was da also so äußerst vage formuliert wird, sind "Deutungen" des Gesundheitszustandes von Ernas Schwester Frieda, die vom 25.02 - 25.03.1939 eben wegen dieses "Erregungszustandes" in der Provinzialheilanstalt Gütersloh betreut wurde  - also zu einer Art Kurzzeit-Behandlung - wie man heute sagen würde ...  
Recherchen haben inzwischen nämlich ergeben, dass die Anstalt  in der Krankenakte der Schwester Frieda Hausmann, geb. Kronshage folgenden Laufzettel hinterließ:

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Hier sind ganz ohne Zweifel folgende Fakten unterstrichen:
  • Entlassung aussichtsvoll
  • nicht fortpflanzungsgefährlich
  • fortpflanzungsfähig

Handschriftlich hinzugefügt: - oben: 
nach 4 Wochen Dr. Otto (?) nochmals vorlegen ... (Hz) 3./3.39


Handschriftlich hinzugefügt: - unten:  

  • Krankheitsform: [keine Eintragung]
  • Aussicht auf Genesung: [keine Eintragung]
  • Anzeige an Amtsarzt: [keine Eintragung]
  • Wiedervorlage not. zum 4.4.39 [doch da war Frieda aus der Heilanstalt schon wieder entassen] ...
Bei tatsächlichem Vorliegen einer sicher (!) diagnostizierten "Schizophrenie" bei Frieda (wie sie - wenn auch verklausuliert - im "Beschluss" angedeutet wird) wäre diese sicherlich nicht nur mit einem 4-wöchigen Kurz-Aufenthalt in 1939 behandelt worden ...
 - also schon unter den seinerzeit weit verbreiteten Eugenik-Bedingungen der NS-Psychiatrie - und man hätte auch hier - wie jetzt bei Erna  - einen Antrag auf Unfruchtbarmachung nach dem Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses (trat am 1.1.1934 in Kraft) stellen müssen ... 
Auch in den überkommenen Akten des Gesundheitsamtes Bielefeld resp. des Erbgesundheitsgerichtes Bielefeld gibt es zur Schwester Frieda keinerlei diesbezügliche Hinweise einer Unfruchtbarmachung ...
16-5 
    • Am 4.08.1943 wurde Erna gemäß den herbeigeschwurbelten Beschlüssen in zwei Instanzen des Erbgesundheitsgerichte wegen einer äußerst fraglichen Erbkrankheits-Diagnose "Schizophrenie"  im Krankenhaus zu Gütersloh von Dr. Stüwe unwiederbringlich und engültig "unfruchtbar" gemacht - zwangssterilisiert ...

Eingriff - Illustrationsfotos

Zwangssterilisation























Madlener-Tubenquetschung














  • "Die Unfruchtbarmachung verlief regelrecht ... Die Wunde heilte in 7 Tagen ohne Nebenerscheinungen" ...